Wenn Presslufthammer und Bautrockner zu Segensgeräuschen werden – Ehrang gedenkt der Flutkatastrophe mit Ökumenischem Gottesdienst und Musik

Trier-Ehrang – Nach Öl stinkende Wassermassen im gesamten Ort, 690 Häuser geflutet, fassungslose Menschen, die ihre gesamte Habe innerhalb weniger Stunden verloren: So sah es vor genau einem Jahr am Morgen des 15. Juli im Trierer Stadtteil Ehrang-Quint aus. Das selbst für die Hochwasser-erprobten Menschen in der Eifel und Trier schier Unglaubliche war passiert: Kleinere Flüsse wie die Kyll waren durch die Starkregenfälle in der Nacht zu reißenden Fluten geworden, die sich über ganze Dörfer hinwegwälzten und an der Ahr und in Nordrhein-Westfalen sogar Menschenleben kosteten.

Dort, wo damals die Kyll in Ehrang über die Ufer trat, am Marktplatz, baumeln heute selbst gebastelte Laternen an einer Schnur im Wind, eine kleine Bühne ist aufgebaut, die Menschen haben sich versammelt. Viele hier sind selbst betroffen, andere wie die Feuerwehr aus Mannheim, sind geladene Gäste, die während der Flutkatastrophe anpackten und halfen. Verbunden im Gedenken an den 15. Juli 2021 feiern sie heute gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst mit Weihbischof Franz Josef Gebert, dem Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, Dr. Markus Nicolay, Dekan des Pastoralen Raums Trier, Superintendent Jörg Weber und Pater Thomas Pathuppallil. Und sie feiern ihn mit zwei Frauen, die sich selbst unermüdlich eingesetzt haben, die mit einem Bollerwagen voller Essen und Getränken in den Tagen nach der Flut durch Ehrang zogen: Gemeindereferentin Gertrud Rosenzweig und die evangelische Pfarrerin Maren Vanessa Kluge.

„Die Menschen haben gekämpft und stehen füreinander ein“
In der Predigt beschreibt Kluge, dass die Menschen gekämpft hätten – mit dem Wasser, dem schlammigen Öl, mit ihren Ängsten, mit den Tränen und mit Gott. Es sei nicht verwunderlich, dass man angesichts dieser Zerstörung mit Gott und dem eigenen Schicksal hadere. Dass in Ehrang kein Mensch ums Leben kam, sei für sie ein wirkliches Wunder. „Die Menschen helfen, packen an, unermüdlich seit einem Jahr“, berichtet Kluge. Das „Wir schaffen das“ habe manchmal einen müden Ton, dennoch machten sich die Menschen für andere stark und das sei ein Segen, wie er in der Bibel stehe: „praktisch, greifbar, spürbar“. Und Rosenzweig fügt hinzu: „Ein Segen ist, dass die Straßen längst wieder sauber sind, aber ich sehe auch, wie in Häusern gearbeitet wird. Wer hätte gedacht, dass Bautrockner und Presslufthammer auch Segensgeräusche sein können?“ Und für Pater Pathuppallil ist Segen, wenn sich immer wieder die „Schockstarre löst, Lebendigkeit aufbricht“ und dass Ehrang auch „aufatmet“, so im vergangenen Herbst, als sich durch Lichtinstallationen, Lampions und Kerzen der ganze Ort in ein buntes Lichtermeer verwandelte und leuchtete.

„Wir sind keine Gesellschaft von Egoisten, im Gegenteil“
Unter dieses Motto haben die Ehranger auch ihre dreitägige Gedenk- und Hoffnungsveranstaltung gestellt: „Ehrang leuchtet weiter“, so der Titel. Damit soll laut Ortsvorsteher Bertrand Adams auf ein Jahr Aufbauarbeit und Mühe, aber auch auf eine gemeinsame Zukunft geblickt und „Danke“ gesagt werden. Oberbürgermeister Wolfram Leibe betonte nach dem Gottesdienst, das vergangene Jahr habe gezeigt, dass wir „nicht in einer Gesellschaft von Egoisten lebten, sondern im Gegenteil, dass wir zusammenstehen und etwas aufbauen können.“ Dafür stünden etwa Beispiele wie das von Malteser-Fluthilfekoordinator Ulrich Mathey, der in Abwesenheit geehrt wurde.

Zwar prägen noch immer Renovierungsarbeiten und teils auch das Warten auf Hilfen den Alltag vieler Menschen in Ehrang. Aber als nach dem Gottesdienst das Karussell für die Kinder beginnt, seine Runden zu drehen, der Geruch von Popcorn und Zuckerwatte über den Platz weht und die ersten Bratwürstchen ihre Abnehmer finden, ist da wieder sowas wie Normalität.

sb/ Bischöfliche Pressestelle Trier


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