Webandacht: Mir geht ein Licht auf

„Wenn ich noch zehn Jahre jünger wäre, ja dann würde ich…“, hat mein Opa immer gesagt. Als er zum Beispiel begründen wollte, dass er nicht mehr auf Reisen gehen will. Oder die Augen-OP nun doch nicht ansteht. Oder wenn er einfach etwas nicht wollte. Er hat das gesagt, als er 75 Jahre alt war. Als er 85 war auch. Und mit 90 immer noch. Wenn ich heute zurückblicke, klingt das vielleicht komisch: Aber hätte er das eine oder andere doch gemacht, denke ich mir.

Bei Dunkelheit fahre ich nicht mit dem Fahrrad, habe ich oft gesagt. Auf dem Rad werde ich nicht so gut gesehen, war meine Begründung. Und weil ich Angst hatte, nachts Tieren zu begegnen. Denn meist muss ich durch den Wald nach Hause fahren. Irgendwann habe ich einen Artikel über eine Stirnlampe gelesen, die besonders hell und gut leuchtet. Und habe sie mir gekauft. Gut, dass ich das gemacht habe.

In der Bibel lese ich: „Gott ist mein Licht und mein Glück. Vor wem sollte ich mich fürchten?“ Hinter diesen Worten stecken uralte Erfahrungen. Das Leben ist eben nicht immer einfach. Und es gibt neben existentiellen Bedrohungen auch ganz banale Situationen, in denen Menschen Angst habe. Ich zum Beispiel beim Fahrradfahren im Dunkeln. Seitdem ich die Stirnlampe besitze, fahre ich auch bei Dunkelheit. Und es geht wirklich gut. Veränderungsangst zu überwinden, gilt auch für große Themen wie den Klimaschutz. Und jenseits der aktuellen politischen Diskussionen finde ich, dass es einfach gut und gesund ist, immer öfter das Fahrrad, statt das Auto zu benutzen. Jetzt auch mehr und mehr abends und im Dunkeln.

Dass Gott mein Licht ist, verstehe ich auch so: Manchmal braucht es einen Anstoß, um meine Angst zu überwinden. Und manchmal brauche ich auch einen Impuls, um etwas zu ändern. Das ging ja nicht nur meinem Opa im Alter zwischen 75 und 90 Jahre so. Veränderungen sind oft angstbesetzt. Gott gibt mir den Mut, etwas zu ändern. Und plötzlich geht mir ein Licht auf. Da geht noch was, obwohl ich es vorher nicht für möglich gehalten hätte. Dafür bin ich dankbar und empfinde es als Glück.

Dr. Jörg Weber, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Trier


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