Webandacht: Heute ein König

  • Pfarrer Matthias Ratz

Heute wird Charles III. in London gekrönt. Großbritanniens neuer König wird mit Glanz und Gloria in sein Amt eingeführt. In Deutschland könnte uns das ziemlich egal sein, doch auch viele von uns schauen interessiert über den Ärmelkanal. Die Monarchie, grade die britische Königsfamilie, fasziniert die Menschen.
Ich schaue grade die Serie „The Crown“ über Queen Elizabeth II. Grade bin ich in Staffel 3: der junge Charles ist in Camilla verliebt, aber die Beziehung ist zum Scheitern verurteilt, weil die königliche Familie sie nicht für standesgemäß hält.
Was mich an der Serie fasziniert, ist die große Spannung, der die Queen und ihre Familie ausgesetzt sind: auf der einen Seite leben sie mit maximalen Privilegien, reich, verwöhnt und mächtig. Auf der anderen Seite sind es Menschen mit normalen Wünschen und Gefühlen, die sie aber oft nicht ausleben dürfen. Traditionen, Gesetze und Erwartungen der Öffentlichkeit stehen dem entgegen, dass sie sich als Persönlichkeiten entfalten können. In allem Wohlstand sind sie unfrei und oft unglücklich. Die Krone ist wichtiger als die Person, der Staat wichtiger als das eigene Leben.
Ich habe mich gefragt, ob diese Spannung auch auf Jesus Christus zutrifft, den wir als König titulieren. Er ist wahrer Gott, Sohn des himmlischen Herrschers mit aller Vollmacht. Gleichzeitig ist er wahrer Mensch mit Gefühlen, der ohnmächtig gefangen genommen und hingerichtet wird. Die Bibel schildert uns neben dem König auch einen Jesus, der im Konflikt mit seiner Herkunftsfamilie steht, der aufbrausend sein kann, der Erwartungshaltungen nicht entspricht.
Ein Vergleich zwischen Jesus und dem britischen König ist mindestens schief, vielleicht gar nicht angebracht.  Doch die Spannung zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Dienst für Andere und eigenen Wünschen, die erkenne ich irgendwie bei beiden – und dann auch in mir. Vielleicht deswegen fesselt mich die Fernsehserie so. Und deswegen ist mir Jesus, der wahre Mensch mit allen Gefühlen und Spannungen, so wichtig, um Zugang zu Gott zu finden.

Pfarrer Matthias Ratz, Trier


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