Letztes Jahr blieben an einem kleinen College in Wilmore, Kentucky, einige Studierende nach dem obligatorischen Gottesdienst, um weiter zu beten. Der Anstoß kam von einem Studenten, der ein persönliches Zeugnis ablegte.
Es sprach sich herum. Andere Studierende kamen zurück. Der Gottesdienst dauerte die ganze Nacht und bis in den nächsten Tag hinein, hunderte junge Menschen sangen, beteten und weinten in der Gegenwart Gottes. Jemand postete es in den sozialen Medien und das Asbury Revival 2023 war geboren. Als es zwei Wochen später endete, waren insgesamt rund 60.000 Einzelbesucher gekommen.
Das Revival hatte viele Befürworter und ebenso viele Kritiker. Einige waren überglücklich, dass die Generation Z Gott gefunden hätte. Andere kritisierten scharf: Was wirklich den Glauben an Jesus bewiesen hätte, wären 60.000 junge Menschen gewesen, die ihren Teil dazu beigetragen hätten, die Obdachlosigkeit zu beenden.
Wieder andere meinten, dies sei eine falsche Religion, einfach weil die Leute in Gottes Gegenwart große Freude empfanden. Emotionen seien nicht vertrauenswürdig. Für manche ist es wohl keine Kirche, wenn es nicht langweilig ist, wenn man nicht mit grimmiger Miene in der Bank sitzt und versucht, sich Gott zu denken.
Die etablierte Kirche leidet vielleicht an einem „Begeisterungs-Defizit“. Wir vertrauen Begeisterung, oder gar Ekstase, nicht. Sie ist uns peinlich – weil sie uns verletzlich macht, weil sie uns albern auf andere wirken lässt oder weil sie etwas verspricht, was sie vielleicht nicht endgültig einlöst. Es scheint uns meist besser, nüchtern und nachdenklich zu bleiben und all unsere Fähigkeiten unter Kontrolle zu haben. So gut und wichtig das auch ist – ohne Begeisterung und manche irrationale Ekstase, vertieft sich der Glaube selten.
Bei der Ankunft Jesu – dem herrlichen Weihnachtsmoment, auf den wir mit kindlicher Sehnsucht warten – geht es um Hochgefühle. Aus voller Kehle singen. In Anbetung niederfallen wie die Hirten und Weisen. Glaube, der für einen goldenen Moment unsere Zweifel verdrängt.
O Gott, lass eine heilige Ekstase mich finden und überwältigen, wenn auch nur für einen Moment!
Pfarrer Matthias Ratz, Trier