Webandacht: Entscheidung abgenommen

Schon seit Monaten kam in mir immer wieder die Frage hoch, ob ich mir nicht ein neues Fahrrad kaufen wolle. Als Alte habe ich intensiv genutzt. Das merkte man dem über elf Jahren alten Drahtesel mittlerweile auch deutlich an.Die billige Federgabel war ziemlich ausgeschlagen und passenden Ersatz gibt es nicht mehr. Manche Anbauteile waren abgenutzt oder kaputt. So stellte sich die Frage: lohnt es sich noch, Geld in Wartung und Reparaturen zu stecken? Auf der einen Seite wollte ich gerne ein neues Fahrrad, auf der anderen Seite lief das bestehende ja noch und tat im Großen und Ganzen, was es tun sollte. Schon seit langem spielte ich also mit diesen Gedanken, recherchierte halbherzig auf Websites von Fahrradherstellern, diskutierte mit Bekannten darüber, aber eine wirkliche Entscheidung hatte ich nicht getroffen. Das übernahm dann das Fahrrad für mich: eines schönen Morgens auf dem Weg ins Freibad machte es knack und der Rahmen war an der Aufhängung des Hinterrades gebrochen. Das war das Ende. Meine freien Tage konnte ich dann nutzen, ein neues Fahrrad zu kaufen. Hier musste ich wieder eine Entscheidung treffen, aber auch diesmal wurde es leicht gemacht, durch die aktuellen Lieferengpässe: bei vier Händlern gabs es vier Modelle, die meinen Vorstellungen nahekamen und in der richtigen Größe sofort verfügbar waren. Keins entsprach ganz genau dem, was ich wollte und so habe ich mich vom Bauchgefühl leiten lassen und einfach eins genommen. Bisher bin ich sehr zufrieden. Ich war sehr dankbar, dass mir die Entscheidungen abgenommen bzw. leicht gemacht wurden. Entscheidungen treffen, fällt mir nämlich oft sehr schwer. Eine sehr wichtige Entscheidung haben meine Eltern für mich getroffen: sie haben mich taufen lassen, als ich etwa ein halbes Jahr alt war. Ich gehörte also von Anfang an zu Jesus und zur Kirche. Ich bin dankbar, dass meine Eltern das entschieden haben. Vor allem bin ich Gott dankbar, dass er mir immer wieder die Entscheidung abnimmt, ob ich den Bund mit ihm weiter halten will. Denn wenn ich zweifle und unsicher bin, mehr Fragen als Glauben habe, dann zeigt sich Gott mir. Er lässt mich nicht los, selbst wenn ich das wollte. Ich kann gar nicht anders, weil er mir die Entscheidung abnimmt. Er hat sich für mich entschieden, sodass ich mich nicht immer wieder neu für ihn entscheiden muss.

Pfarrer Matthias Ratz, Trier


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