Auf einem meiner T-Shirts steht: „Ich kenn da `ne Abkürzung“. Als begeisterter Mountainbiker ist das ein Satz, den ich oft höre und auch selbst sage. Zum Beispiel, wenn ich von einer Bergseite auf die andere durch ein tiefes Tal fahren soll. Weil es die geplante Strecke so vorgibt. Das hieße: Jetzt muss ich erst 500 Höhenmeter bergab, um dann gleich wieder 500 Meter hochzufahren. Da frage ich mich: Gibt’s da vielleicht nicht doch eine Abkürzung?
Meistens finde ich dann auch eine. Jedenfalls auf der Karte. Wobei ich zugeben muss, dass das nicht immer besser ist. Mir ist nämlich auch schon passiert, dass der Weg zwar kürzer war, aber so uneben, dass ich mit dem Mountainbike schieben musste. Inzwischen sogar mit E-Antrieb. Das ist dann doppelt ärgerlich. Einmal stellte sich der auf der Karte als Pfad dargestellte Weg als Abhang heraus. Wir mussten die Räder gemeinsam hochwuchten, während die anderen auf der längeren Streck eine Schotterstraße locker hochpedalierten. Die Flüche mancher meiner Freunde angesichts meiner vermeintlichen Abkürzungen habe ich noch im Ohr.
„Ich kenn da `ne Abkürzung.“ So geht es mir im Leben ja manchmal auch. Das könnte doch einfacher zu erledigen sein. Schnell gedacht, noch schneller gemacht, und dann stelle ich fest: war nix mit Abkürzung, war eine blöde Idee. Denn der Weg war doch schwerer und steiniger, als gedacht. Und dann muss ich gedanklich umschwenken und mir die Mühe der Anstrengung machen. Manche Mühlen mahlen eben doch langsamer als ich will.
In der Bibel finde ich im Buch Kohelet, auch Prediger Salomo genannt, folgende Weisheit: „Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege“. Dieser Mensch hat die Erfahrung gemacht, dass Gott bei ihm ist, in allen Lebenslagen. Das sind lebens- und glaubensgesättigte Erfahrungen mit seinem Gott. Und er weiß es in solch wunderbare Worte zu fassen. Denn er kennt auch dunkle, schwere Tage und Zeiten.
Ja, ich kenne Tage, an denen läuft es wie im Auto auf einer neuasphaltierten Straße. Wunderbar. Und ich erlebe Zeiten, in denen alles schwierig ist, wie auf einem unwegsamen Pfad mit großen Wackersteinen. Da gibt es manchmal auch keine Abkürzung, da muss ich durch. Dann erinnere ich mich an diese Worte und die Erfahrung des Predigers: „Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege“. Und merke: das ist doch ein wunderbarer Trost. Gott ist bei mir und hat ein Auge auf mich. Auch bei vermeintlichen Abkürzungen, die sich hinterher als schwierig erweisen.
Tröstlich ist auch, dass der Prediger betont: „Gott sieht meinen Weg“. Es sagt nicht: Gott weiß meine Wege. Das heißt: ich habe Entscheidungsfreiheit. Mein Weg im Leben ist nicht vorgezeichnet wie eine Linie auf der Karte. Und wenn ich wieder mal eine Abkürzung suche, dann denke ich noch mal genauer nach, ob sie wirklich sinnvoll ist. Auf alle Fälle weiß ich: Gott ist bei mir.
Superintendent Dr. Jörg Weber, Evangelischer Kirchenkreis Trier