„Na, Ihr habt bestimmt großen Durst“, sagt die Hüttenwirtin auf einer kleinen Alm in den Bergen. „Großen Durst und großen Hunger“, antworte ich. Eigentlich sollte die Tour noch länger gehen. Aber hier an der kleinen Hütte ist es so schön – da bleiben mein Kollege und ich. Wir sind mit den Rädern in den Bergen unterwegs und freuen uns auf eine Pause. „Herzlich willkommen zum Ruhestandsfest“ steht am Eingang der Hütte. „Eigentlich ist das eine private Feier“, klärt uns die Wirtin auf, „aber ich schaue mal, was ich so habe für den großen Hunger.
Kurze Zeit später kommt sie wieder und bietet uns ein Chili an. Das ist zwar nicht ganz typisch für die Alpen, aber wir freuen uns, dass es was zu essen gibt. Es schmeckt großartig. Der Blick auf die Alpengipfel, die Sonne, die Berge und Wiesen in ein warmes Licht eingetaucht – wir sind glücklich. Einfach super, dass sie uns etwas zu Essen und Trinken anbietet, obwohl wir nicht zu den Gästen gehören, denke ich.
Und mir fällt etwas ein, was in der Bibel steht. Darin haben Menschen ihre Erfahrungen mit Gott aufgeschrieben und was daraus für das Zusammenleben folgt. Oft ist die Rede von Gastfreundschaft. „Seid gastfreundlich, denn auf diese Weise haben manche, ohne es zu wissen, Engel als Gäste aufgenommen“, sagt die Bibel. Aus den Evangelien erfahren wir, dass Jesus oft in irgendwelchen Häusern eingekehrt ist und zusammen gegessen und getrunken wurde – auch das sind Formen der Gastfreundschaft. Und im bekannten 23. Psalm heißt es über Gott: „Du deckst für mich einen Tisch“. Gott ist also selbst gastfreundlich.
Wenn man von anderen was zu Essen und zu Trinken bekommt, dann kann einem Gott begegnen. Oder wenn man selbst zum Essen und Trinken einlädt. Gastfreundschaft gehört sozusagen zur DNA Gottes. Ich denke wieder an die Hütte in den Bergen. Am Eingang stand ja nicht: „Geschlossene Gesellschaft“, sondern „herzlich willkommen“. Und trotz privater Feier war Platz für hungrige und durstige Radler. Schön, dass das so war und dass man immer noch erleben kann, was Gastfreundschaft bedeutet.
Dr. Jörg Weber, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Trier