Webandacht: St. Martin und Karneval

  • Pfarrerin Vanessa Kluge

… ich könnt als Martin geh‘n

Ja, was denn nun? Aufersteht der Wuppdus heute oder wird der Mantel geteilt? Geh ich mit meiner Laterne oder summ ich leise „Wenn dat Trömmelche jeht“? Als gebürtige Rheinländerin stellt sich die Frage durchaus. Da prallt was aufeinander. Einserseits Sankt Martin und andererseits die fünfte Jahreszeit, die in Düsseldorf – ich bin mir der Häme aus anderen Karnevalshochburgen bewusst – in dieser Saison unter dem Motto gefeiert wird: „Wat et nit all jöwt“, also: „Was es nicht alles gibt.“ Genau. Was es nicht alles gibt im Leben, im Kleinen wie im Großen. Da passiert so vieles zeitgleich. Besser unzeitgemäß gleichzeitig. Im Kleinen: Laternenlicht mit dem Lied vom Soldat, der den Bettler vor dem Erfrieren rettet und gleichzeitig die Freude auf Karneval, um den Mächtigen der Welt den Narrenspiegel vorzuhalten. Im Großen: es gibt Kriege mehr als genung mit allen Konsequenzen und dennoch Menschen, die sich einsetzen für die Opfer, die Flüchtenden und den Frieden. Im Kleinen: ich beerdige alte Menschen und bei der Trauerfeier sind Babies dabei. Das unzeitgemäß Gleichzeitige. Ein Spagat der Gefühle und Wahrnehmungen, Sankt Martin und der Wuppdus. Manchmal glaube ich, dass die Karnevalisten wahre Theologen sind, weil sie mich an den biblischen Satz erinnern „Alles hat seine Zeit“. Der Prediger hat die widersprüchlichen Grunderfahrungen des Alltags im Blick: Alles hat seine Zeit: streiten und Frieden schließen. Lieben und aufhören zu lieben. Etwas einreißen und aufbauen. Was es nicht alles gibt und ich denke: „Ich könnte ja als Martin gehen“ mit der Laterne zum beginnenden Karneval. Oder immmer im Alltag. Es ist eine Haltungsfrage. Was wäre dabei, wenn dann jemand sagt:„Wat et nit all jöwt – nen Martin an Karneval – und nicht nur da“.

Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang


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