Webandacht
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Ferienbeginn
Sonne, Sonne, Sonne satt, so haben die Sommerferien an diesem Wochenende begonnen.
More......Wird üblicherweise Sonnenschein freudig begrüßt, so stöhnen jetzt jung und alt unter der Hitze, die mittlerweile gefährliche Ausmaße erreicht.
Sie raubt den Atem und bringt Herz und Kreislauf aus dem Rhythmus und kann im Extremfall zum Tod führen.
Auch die Natur leidet.
Wälder, die letztes Jahr noch grün aussahen sind braun, die Bäume vertrocknet und kahl.
Bäche werden zu Rinnsalen, Quellen versiegen. Die Gefahr von großflächigen Bränden wächst auch bei uns.
Wasser wird knapp. Trinkwasser wird zunehmend als das wahrgenommen was es ist: Das Lebensmittel Nr. 1, das geschützt und überlegt verwendet werden muss.
Hitzerekord, Trockenheit und Wasserknappheit: Die Auswirkungen des Klimawandels lassen jede und jeden erkennen: Es muss jetzt mehr getan werden. Ich bin gefordert, ebenso die Gemeinschaft. Hitzenotfallpläne sollen Abhilfe schaffen.
Wer in den Ferien nach Südeuropa in Urlaub fährt, kann dort nicht nur im Meer baden und Kultur genießen, sondern auch erleben, wie die Menschen mit Hitze umgehen. Sie sind es gewohnt, den lebens- und Arbeitsrhythmus den klimatischen Bedingungen anzupassen.
Das Leben nach den klimatischen Gegebenheiten auszurichten, vor dieser Herausforderung stehen wir nicht erst in diesem Sommer.
Gemeinschaftlich können wir Veränderungen herbeiführen hin zu mehr Schutz des Lebensraums von Menschen, Tieren und Pflanzen.
Die Natur ist Gottes Schöpfung, dem Menschen anvertraut zur Bewahrung.
Maßnahmen gegen den Klimawandel sind in diesem Sinne ein Akt des Respekts gegenüber Gott, dem Schöpfer allen Lebens und auch der Achtung der Mitmenschen in nah und fern.
Elke Füllmann-Ostertag, Pfarrerin i.R., Börfink
Posted By: Elke Füllmann-Ostertag [0] on Jul 22, 2022 12:27 -
Lautes Lachen
"Na, Sie sehen in Wirklichkeit ja besser aus, als auf dem Bild", begrüßt mich der Mann am Eingang einer Kirche, als ich meinen Namen sage. Ich muss laut loslachen. So ein Kompliment hat mir auch noch niemand gemacht.
More......"Psst", sagt der Mann, "wir sind in einer Kirche". Da würde ich schon wieder gerne laut loslachen, aber das muss ich mir jetzt verkneifen. Hier soll wohl eine Form gewahrt, die besagt: In der Kirche wird nicht laut gelacht. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr frage ich mich, ob ich darüber nun weinen oder lachen soll. Ist Gott etwa humorlos? Oder sind es eher die Menschen, die in der Kirche sind oder dort arbeiten? Der Mann am Eingang hat ja anscheinend durchaus Humor, sonst hätte er mich nicht zum Lachen gebracht. Hindern uns also die Konventionen daran? In der Bibel steht: "Wenn Gott es zum Guten wendet, dann wird Lachen unseren Mund erfüllen." Das heißt doch: Wenn wir Gutes erfahren, dann lachen wir aus vollem Hals. Dann darf es auch schon mal laut sein und andere anstecken. Und deshalb will ich es nicht akzeptieren, dass in der Kirche nicht gelacht werden darf. Trotz mancher Ernsthaftigkeit, um die es da oft geht. Schließlich wird in der Kirche auch getrauert. Oder Menschen kommen mit ihren belastenden Erfahrungen, um einen Moment der Stille zu haben. Um in Ruhe zu beten und mit Gott ins Gespräch zu kommen. Dazu gibt es leider auch Erfahrungen mit der Kirche, also vor allem mit Menschen in der Kirche, die einen nicht gerade zum Lachen animieren, sondern traurig und manchmal auch sprachlos zurücklassen. Und es gibt Gelegenheiten, die mich fröhlich stimmen. Dann kann aber auch gelacht werden, finde ich. Vielleicht ist es bei Gott am Ende so ähnlich wie bei mir: Der sieht in Wirklichkeit auch besser aus, als ich oder andere manchmal über ihn denken. Gott hat Humor und bringt Menschen zum Lachen. Gerade dann, wenn ich Gutes erfahre. Und manchmal auch, wenn ich ein unerwartetes Kompliment bekomme, das helle Freude in mir auslöst.
Dr. Jörg Weber, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises TrierPosted By: Dr. Jörg Weber [0] on Jun 18, 2022 08:30 -
Welches Alter?
Montagmorgen - wir Kollegen schmunzeln, wie oft man uns altersmäßig falsch einschätzt. "Da bin ich mit über 50 immer noch ein junger Mann!", sagt einer. "Ach", scherze ich, "das ist nix. Jahrelang war ich die junge Kollegin.
More......Ab Sonntag hab ich offiziell einen jüngeren Kollegen und nächstes Jahr bin ich wohl die Älteste im Team. Ich durfte nie so alt sein, wie ich eigentlich war." - "Oh, darüber muss ich erst mal nachdenken." - "Keine Sorge", sage ich, "alles ok. Alter ist nur ne Zahl!" Wir arbeiten weiter. Abends fällt es mir wieder ein: "Ich durfte nie so alt sein, wie ich eigentlich war." Was ist das Alter? Ich kenne junge Menschen, die unglaublich alt sind und umgekehrt. Am nächsten Tag frage ich Ette, die weise Vierährige von Freunden. "Wann ist man alt?" Sie erklärt mir: "Also, Vanessa, mit 50 ist man alt. Wenn man alt ist, klettert man nicht mehr auf dem Spielplatz. Aber du, bist nicht alt. Nur sehr groß." Ich muss lachen - letzte Woche auf dem Spielplatz sagte ich ihr: "Ich würde gerne klettern, aber Erwachsene dürfen das nicht." Fand sie blöd. Jetzt unterscheidet sie fein: "Du bist nicht alt - nur groß." Was für eine Einsicht! Sie hat verstanden: Alter ist nicht nur eine Jahreszahl, sondern auch Lebenserfahrung. Die Bibel kennt das Altersproblem. Propheten, die sich selbst für zu unerfahren, also zu jung einschätzten und andererseits Menschen mit hohem Alter, also viel Lebenserfahrung. Methusalem war nicht wirklich 969 Jahre alt, hatte aber viel Lebenserfahrung. Mein Alter? Alt bin ist erst, wenn ich nicht mehr klettere und ... das tu ich noch gerne. Ich bin halt nur groß. Oder aber ... ich muss gar nicht immer so alt sein, wie ich eigentlich bin. Das ist ne Chance!
Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang
Posted By: Vanessa Kluge [0] on Mai 14, 2022 10:00 -
Muttertag
An diesem Sonntag feiern wir Muttertag.
More......Die Mütter stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Die ganze Familie ist bestrebt, der Mutter eine Freude zu bereiten.
Die einen greifen auf kommerzielle Angebote zurück, schenken Blumen, Pflanzen oder Süßigkeiten, andere tun der Mutter einen besonderen Gefallen, indem sie sich im Haushalt mehr engagieren als üblicherweise. Auch der gemeinsame Ausflug ins Grüne ist beliebt. Wichtig ist, dass sich das Geschenk an den Bedürfnissen und Wünschen der Mutter ausrichtet und von Herzen kommt. Da zählt das Sträußchen Wildblumen, das ein Kind pflückt und der Mutter strahlend überreicht genau so wie das teure Essen im Restaurant.
Dieses Jahr schiebt sich ein neuer Aspekt in den Vordergrund: Die Sorge ukrainischer Mütter um ihre Angehörigen in der Heimat. Es gehört zum morgendlichen Ritual, sich über die Lage vor Ort zu informieren und mit den Verwandten Kontakt zu halten. Vor allem die bange Frage: Lebt mein Sohn noch? treibt die Mütter um. Ich gehe davon aus, dass diese Frage auch russische Mütter stellen. Dass sie sich nichts sehnlicher wünschen, als dass ihre Söhne lebend zurückkommen.
Sicher würde sich ein großer Wunsch erfüllen, wenn ihre Söhne den ganz normalen Alltag leben könnten statt in einen Angriffskrieg gezwungen zu werden.
Nicht nur in diesem Krieg, sondern weltweit fürchten Mütter um das Leben ihrer Kinder.
Hunger, Versklavung, keine Chance auf Schulbesuch und Ausbildung, sowie ein eigenständiges Einkommen für sich selbst bilden eine Spirale der Hoffnungslosigkeit.
Ich bin davon überzeugt, dass wenn es nach den Wünschen der Mütter ginge, dann wären wir auf dem Weg hin zu einem Leben in Würde, Gerechtigkeit und Frieden schon ein großes Stück weiter. .
Elke Füllmann-Ostertag, Pfarrerin i.R., Börfink
Posted By: Elke Füllmann-Ostertag [0] on Mai 06, 2022 02:22 -
Hoffnungstrotz
"Ostern geht noch nicht", diesen Satz las ich kurz vor den Feiertagen irgendwo... und er hat mich eine ganze Weile begleitet. Ostern geht noch nicht.
More......Oder? Wann geht Ostern? Wenn endlich Frieden ist? Wenn keine Verordnung oder Schutzmaßnahme mehr greifen muss, weil endlich die Pandemie vorbei ist? Ja, mir liegt in diesen Tagen nicht nur ein Stein auf dem Herzen. Und macht mir das Herz und manchmal auch den Mut ziemlich schwer... - An Ostern geht es auch um Steine. Oder vielmehr um einen Stein. Um einen riesengroßen sogar. Den Stein vor Jesu Grab. Die Oster-Geschichte erzählt es: Dieser schwere, große Felsbrocken wird weggerollt. Plötzlich ist das Grab nicht mehr verschlossen. Auf einmal ist es leer - und Jesus auferstanden von den Toten. Das konnten seine Freundinnen und Freunde zunächst gar nicht fassen. Brauchten Zeit, um zu verstehen, was das heißt. Gott ist also auch im Tod da und im Leiden. Gottes Liebe ist unverrückbar. Während der Tod nicht unverrückbar als Letztes stehen bleibt: Plötzlich ist der Stein weg! Gottes Liebe ist stärker als der Tod, das feiern wir an Ostern. Die Enge eines Grabes, einer schier ausweglosen Situation... wird trotz aller Unwahrscheinlichkeit plötzlich zur Weite. Neues ist möglich. Weil die Liebe stärker ist als der Tod. Weil die Liebe alles verwandeln kann. - Mein Wunsch zu Ostern? Mögen uns Steine von den Herzen fallen! Dass sie weich werden - und Frieden und Gerechtigkeit zulassen können. Dass sie weit werden - für den Mut und die Kraft und die Hoffnung, die es in diesen Tagen braucht. - Ostern geht noch nicht? Doch! Ostern geht. Gerade jetzt. In allem. Und trotz allem. Mit einer gehörigen Portion Hoffnungstrotz. Und weil ich weiß: Gott ist da. Bei uns. Bei allen Menschen. Mitten in allem Unwägbaren. In allem Entsetzen. In allem Grauen. Und ebenso in allen schönen und hoffnungsvollen Dingen. Und ich will trotzen. Trotzig sein. Voller Hoffnungstrotz und mit weichem, weitem Herzen dieser unserer Welt begegnen. Ostern geht! Jetzt!
Pfarrerin Maike Roeber, TrierPosted By: Maike Roeber [0] on Apr 17, 2022 05:00 -
Leben mit Karfreitagen
Morgen ist Karfreitag. Karfreitag ist aber nicht nur vor Ostersonntag. Karfreitag ist auch an einem Mittwochabend, als ein Mensch stirbt einfach so. Oder an einem Donnerstag im Juli, als ein Fluß zum reißenden Schlammstrom wird, der sich durch den Ort frisst.
More......Oder am kühlen Februarmorgen, als erste Bomben detonieren. Karfreitag ist manchmal mitten im Alltag, da wo Leben mit aller Wucht in tausend Stücke bricht. Darüber nachdenkend räume ich die schlammigen Flutweinflaschen weg, die ich letztes Jahr solidarisch gekauft hatte. Sie erinnern mich an zerbrochenes Leben, an diese Karfreitagsmomente. An die Hände Sterbender, die schwächer werden, aber in meinem Herzen da sind. An die Bilder von all dem verschlamm-ten Leben und so vielen Erinnerungen, die weggeworfen werden mussten. An die Flüchtenden, mit dem Leben davon gekommen, sind sie hier in Sicherheit und bangen um die Ihren Daheim. Ich stelle die letzte Flasche weg. Unter dem Schlamm schimmert auf dem Etikett hindurch: "Auf das Leben!" Auf das Leben? Ich schlucke. Das beißt sich! Auf das Leben? Das zerbrochenen Leben? Das Leben mit seinen Karfreitagsmomenten? Puh. Ich lese die Karfreitagsgeschich-ten in der Bibel und die Texte der alten Passionslieder. Langsam schiebt sich ein anderer Gedanke hinzu: mit all den Karfreitagserfahrungen bin ich nicht allein. Nicht heute und nicht im Alltag. Ich erkenne Gott, der nicht die Augen verschließt vor Todesangst und Schlammlawinen und Flucht und Krieg. Ich sehe Gott, der mit mir leidet, klagt, weint. So stelle ich die Flasche ins Weinregal und denke "Gott, die trinke ich erst, wenn ich sagen kann: auf das Leben mit seinen Karfreitagen, die auch mitten im Alltag sind." Heute aber noch nicht.
Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang
Posted By: Maren Vanessa Kluge [0] on Apr 14, 2022 08:00 -
Palmsonntag
An diesem Sonntag beginnt mit Palmsonntag die Karwoche. Sie endet mit Ostern, dem höchsten christlichen Fest. Wir erinnern uns an Jesu letzte wichtige Stationen seines Lebens. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, beides gehört zusammen.
More......Jesus wird von einer Menschenmenge begeistert empfangen, als er in Jerusalem einzieht. "Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!" (Matthäus 21,9). Ganz andere Töne, als der römische Statthalter Pilatus die Menge fragt, wen er begnadigen soll. Der Aufrührer Barabbas soll frei kommen. Über Jesus schreien sie "Kreuzige ihn!" nachdem sie entsprechend aufgehetzt worden waren. (Vgl. Markus 15,11). Diese Wechselmütigkeit der Menge gibt mir dieses Jahr besonders zu denken. Das Phänomen gab es nicht nur vor 2000 Jahren, auch heute ist es weit verbreitet. Einerseits werden einzelne oder Gruppen besonders verehrt, andererseits gibt es immer mehr Feindbilder. Der Feind wird verachtet, Gewalt gegen sie/ihn zugelassen oder gar als notwendig erachtet bis hin zur Freigabe zum Vernichten. So glaubte der Mann, der den Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein erschoss, aufgrund seines Corona-Feindbildes, er müsse sich als Asthmatiker mit Gewalt gegen die Forderung des Maskentragens wehren. In der Ukraine äußert sich das Feindbild in der Politik der verbrannten Erde. Auch aus Freund*innen können Feind*innen werden, wenn nur noch die eigene Meinung zählt und eigene Interessen durchgesetzt werden, koste es was es wolle. Allgemein halte ich es für wichtig, Feindbildern eine klare Absage zu erteilen, damit sie nicht den Verstand umnebeln und das Herz verhärten. Ich wünsche Ihnen eine nachdenkliche Karwoche und vor allem Gesundheit.
Elke Füllmann-Ostertag, Pfarrerin i.R., BörfinkPosted By: Elke Füllmann-Ostertag [0] on Apr 08, 2022 02:01 -
„Zukunftsplan: Hoffnung“
"Zukunftsplan: Hoffnung", so lautet das diesjährige Motto des Weltgebetstags der Frauen, der immer am ersten Freitag im März gefeiert wird. Frauen aus England, Wales und Nordirland bereiten Gottesdienst vor.
More......Was Hoffnung auf eine friedliche Zukunft bedeutet, wissen vor allem die Frauen in Nordirland. Die Erinnerung an die Gewalt zwischen protestantischen Unionisten und nach Unabhängigkeit strebenden katholischen Republikanern ist noch lebendig. Aktuell wurden die Feiern zum Weltgebetstag von dem russischen Einmarsch in die Ukraine überschattet. Tote, Verletzte, zerstörte Infrastruktur: Menschen müssen hungern, sich in Kellern aufhalten, viele fliehen, meistens Frauen und Kinder. Die Regierung fordert Hilfe zur Gegenwehr. Neutral bleiben geht nicht. "Zukunftsplan: Hoffnung" kann auch den Notleidenden helfen, nicht aufzugeben und zu verzweifeln. Hoffnung ist kein romantisches oder weltentrücktes Gefühl. Hoffnung ist die Grundlage des Lebens. Hoffnung gibt auch die Welle der Hilfsbereitschaft u.a. in Polen und Deutschland. Nur wer von Hoffnung beseelt ist, hält durch und arbeitet kreativ daran, die Lage zu verbessern. Das erinnert mich an den Bibeltext, der am Weltgebetstag aus dem Buch Jeremia gelesen wurde. "Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung" (Jer 29,11). Mit diesen Worten stärkte der Prophet Jeremia, der 627 v.Chr. berufen wurde, die nach Babylonien verschleppten Isareliten. Die Hoffnung auf Rückkehr war nicht vergeblich. Möge sich auch aktuell die Hoffnung der Geflohenen auf Zukunft in Frieden und Freiheit im eigenen Land erfüllen.
Elke Füllmann-Ostertag, Pfarrerin i.R. BörfinkPosted By: Elke Füllmann-Ostertag [0] on Mär 04, 2022 01:31 -
Schranken-Gedanken
More...Die Tage fahre ich nach Ehrang und muss bremsen. Die Schranken am Bahnübergang sind unten. Mist, weil ich eh spät dran bin.
...Gerade als ich fluchen will, denke ich: „Ey, die Schranken sind unten, also kommt ein Zug.“ Schon höre ich ein polterndes Quitschen und statt zu fluchen, lache ich, flüstere vor mich hin: „Ja – ein Zug fährt wieder“. Ich freue mich. Denn: seit der Flut war es ziemlich still. Die Schranken standen irgendwie immer oben. Es war zwar freie Fahrt am Bahnübergang, aber war das gut? Immerhin gab es nicht alle Verbindungen. Nein – nicht gut. Die Schranken öffnen sich – ich fahre weiter. Am Abend kommt mir dieses Schrankenerlebnis in den Sinn. Der Zug fährt wieder. Noch nicht richtig. An vielen anderen Stellen sind die Schranken noch unten. Nicht nur an Bahnübergängen, sondern da, wo man immer noch warten muss. Auf die Bewilligung von Anträgen oder Handwerker oder Lieferungen. Da, wo es gar nicht leicht ist für Betroffene eine Entscheidung zu treffen, wie es weitergeht. Da wo das Leben echt nicht rund läuft. In Ehrang, Kordel, an der Sauer und anderswo. Dass wird noch langen Atmen kosten und Geduld fordern. Da schiebt sich Paulus mir in die Gedanken „Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.“ – damit meinte er zwar weder die Flut noch das Warten an Schranken, aber ich denke: ja – das wird die Kunst sein. Einen Blick zu haben, wie es werden kann, aber in aller drängenden Ungeduld doch geduldig zu warten. Und sich ausgerechnet an einer geschlossenen Schranke zu freuen, dass es langsam weitergeht. Seit dem fluche ich am Bahnübergang übrigens deutlich weniger. Irgendwie macht es das mir leichter.Â
Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang
Posted By: Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang [0] on Feb 18, 2022 06:09 -
Heizung kaputt
Letztens war bei uns zuhause die Heizung ausgefallen. Als wir Sonntagabend nach Hause kamen, war alles kalt. Natürlich ist das bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt passiert.
More......Dabei sind wir ja privilegiert: im Wohnzimmer haben wir einen Kaminofen und mit einem alten Heizlüfter konnten wir andere Zimmer kurzzeitig aufwärmen. Duschen war ich im Fitnessstudio und für die Katzenwäsche kann man ja auch mal Wasser im Wasserkocher erhitzen. Am Montag kam der Monteur, am Mittwoch konnte das Ersatzteil eingebaut werden. Seitdem funktioniert die Heizung wieder. Gott sei Dank! Meine Eltern hatten vor Weihnachten im Dorf einen kompletten Stromausfall über 25 Stunden. Da geht dann auch kein Wasserkocher mehr, kein Heizlüfter, kein Licht und kein Herd. Solche Episoden zeigen mir zum einen, wie gut wir es im Normalfall haben. Strom, sauberes Wasser, Heizung, ein Dach über dem Kopf, die Möglichkeit, einfach im Supermarkt alles kaufen zu können: für fast alle Menschen in unserem Land ist das eine Selbstverständlichkeit. Wir dürfen dankbar sein, dass wir diese Möglichkeiten haben und dabei diejenigen nicht aus den Augen verlieren, denen die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten nicht vergönnt sind. Zum anderen hat mir unser Heizungsausfall verdeutlicht, wie abhängig wir doch sind. Unser gewohntes Leben, unser Wohlstand, viele Dinge, die wir einfach so hinnehmen: all das hängt letztlich am seidenen Faden. Auch die Pandemie mit macht das deutlich. Die von der Flut im Sommer Betroffenen werden vermutlich über meinen kurzen Heizungsausfall nur müde lächeln können. Persönliche Schicksalsschläge bringen das Gefühl tief ins eigene Leben. Friedrich Schleiermacher hat einst die Religion als das "Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit" beschrieben. Gott ist da. Von ihm hängen wir ab. Er hat diese Welt und mein persönliches Leben in der Hand. Diese Einsicht hilft mir zu Dankbarkeit und Demut. Und auch zu ein bisschen Gelassenheit: ich muss nicht alles in der Hand haben, darf auch mal loslassen, nicht die letztgültige Verantwortung tragen. Und Gott hilft mir, das beizutragen, was ich kann.
Pfarrer Matthias Ratz, TrierPosted By: Matthias Ratz [0] on Jan 21, 2022 06:35