Bei der Landessynode feierte die Ausstellung „Wir leben Vielfalt“ ihre Premiere. Seitdem tourt das besondere Mobile durch die Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland und will queeres Leben sichtbar machen. Ein Stopp war zum Bespiel die Diversity-Konferenz in Bonn.
Kyle Wittmann sitzt auf einem der bunten Liegestühle. Über ihm schwebt eine Sprechblase aus schwerer, blauer Pappe mit seinem Gesicht. Der Jugendleiter aus Hamminkeln lacht gut gelaunt. „Ich bin gerne ein Teil dieser Ausstellung“, sagt er und deutet auf die sechs Elemente, die wie in einem Mobile miteinander verbunden sind. Sechs gestaltete Sprechblasen schweben in der Luft und halten sich gegenseitig im Gleichgewicht. Auf jeder Blase haben ein Zitat, ein Foto und ein QR-Code Platz gefunden –auch von Kyle Wittmann. „Es ist das Ehrlichste, was ich jemals öffentlich über mich selbst nach außen getragen habe“, sagt er.

„Ich wollte einfach leben“
Er sei kein Typ, der ständig mit dem Thema Diversität in die Öffentlichkeit gegangen sei und seine Geschichte erzählt habe. „Ich wollte einfach leben“, sagt er. Und irgendwann sei er es auch leid gewesen, immer der zu sein, der die Fragen der anderen beantwortet – danach, was trans, bisexuell oder divers bedeutet. Aber für die Ausstellung hat er zugesagt: „Ohne viel zu machen, kann ich hier etwas bewirken“, ist sich Witmann sicher und erzählt von den vielen Reaktionen, die ihn über Instagram erreichten, nachdem er ein Bild von der Ausstellungseröffnung geteilt hatte. Wer sich einen Augenblick Zeit nimmt für das Zitat und vielleicht auch für den QR-Code, der zu einem Interview mit Kyle Wittmann führt, der erfährt viel über die Lebensgeschichte des Jugendarbeiters und über seinen Weg zurück zur Kirche.

„Gott wollte, dass ich transgender bin“
Im Liegestuhl neben Kyle Wittmann sitzt Dagmar Kohnen. Auch ihr Gesicht und ihre Geschichte gehören zu der Wanderausstellung „Wir leben Vielfalt“. Die Presbyterin aus Heinsberg tritt an vielen Orten in ihrem Leben für mehr Vielfalt ein und hat einen Christopher-Street-Day in ihrer Heimat auf den Weg gebracht. „Gott wollte, dass ich transgender bin. Gott hat mir nicht nur eine Welt, sondern zwei Welten geschenkt“, sagt sie. Dagmar Kohnen kennt die Öffentlichkeit und scheut sie nicht. „Es ist einfach notwendig, dass wir uns immer wieder gemeinsam auf den Weg machen – hin zu einem WIR“, sagt sie. Und deswegen hat die Presbyterin auch nicht lange überlegen müssen, ob sie sich mit ihrer Geschichte und ihrem Gesicht an dem Projekt beteiligt – in der Hoffnung, dass die Ausstellung „Wir leben Vielfalt“ ein Schritt auf diesem Weg sein könnte.
Ausstellung viele queere Menschen sichtbar machen
Seit der Ausstellungseröffnung während der Landessynode im Februar können das große Sprechblasen-Mobilé, die Liegestühle und bei Bedarf auch bunte Regenschirme ausgeliehen werden. „Wir wünschen uns, dass die Ausstellung auf Reisen geht“, sagt Irene Diller, Dezernentin der Stabsstelle Vielfalt und Gender der Evangelischen Kirche im Rheinland. Denn die Ausstellung „Wir leben Vielfalt“ will Ausdruck einer Haltung sein. Neben den Beschlüssen und der klaren Positionierung der Landessynode gegen die Diskriminierung queerer Menschen hatten die Verantwortlichen um Irene Diller und Jonas Einck nach einem Format gesucht, dass queere Menschen in den Gemeinden sichtbar machen würde. „Wir wollten zeigen: Es geht hier nicht um Papier, sondern wir reden über Menschen, die sich in unserer Kirche und in unseren Gemeinden engagieren.“
Sechs Mitarbeitende bei Kirche erzähle ihre Geschichte
Viele Ideen waren im Gespräch, am Ende konzipierte das Team der Stabsstelle mit Unterstützung von Design-Profi Kai Kullen die Ausstellung. „Als wir die Menschen angesprochen haben, ob sie mitmachen, merkten wir: Wir haben einen Moment getroffen und einen Wunsch“, erzählt Irene Diller. Es kam keine Absage. Sechs Haupt- und Ehrenamtliche aus dem Raum der Evangelischen Kirche im Rheinland erzählen nun ihre Geschichte und ermöglichen so die Begegnung mit ganz unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen. Pfarrer Dieter Schütte ist dabei genauso wie Pfarrer Mirko Lipski-Reinhardt, Pfarrerin Dorothea Ugi erzählt ihre Geschichte genauso wie Sam Hanrath, Presbyterin Dagmar Kohnen genauso wie Kyle Wittmann.
Signal an queere Menschen: „Wir sind hier und wir sind viele“
Die Ausstellung ist Teil einer noch größeren Online-Präsentation: Über die jeweiligen QR-Codes finden Betrachter die kompletten Interviews mit den sechs Porträtierten in Schriftform. Es sind ehrliche Zeugnisse, die auch dazu einladen, mehr über die Lebensrealitäten queerer Menschen in der Kirche zu erfahren – damals und heute. Harte Vorurteile, schmerzhafte Verurteilungen, aber auch echte Gemeinschaft und das Zurückfinden zu Kirche: Alles hat in den Interviews seinen Platz. Kirche habe noch viel Luft nach oben bei dem Thema Vielfalt, sagt Jonas Einck. Aber die Ausstellung setze auch das klare Signal an queere Menschen: „Wir sind hier und wir sind viele.“
Und so hoffen die Erfinderinnen und Erfinder von „Wir leben Vielfalt“, dass der Titel noch mehr zur Realität in Kirche und Gemeinden wird. „Wir wünschen uns, dass die Ausstellung für eine größere Offenheit und mehr Akzeptanz sorgt“, sagt Irene Diller. Denn dafür sei es höchste Zeit.
Info: „Wir leben Vielfalt“
Die Ausstellung „Wir leben Vielfalt“ kann von Gemeinden, kirchlichen Einrichtungen und interessierten Gruppen ausgeliehen werden und ist leicht zu transportieren. Interessierten könnten sich per Mail an gender@ekir.de wenden.