Seelsorge im Bauwagen

Einen besonderen „Ort des Zuhörens“ finden Spaziergänger und Wanderinnen über die Sommermonate am Herzwegparkplatz auf dem Schaumberg im saarländischen Tholey. Denn dort steht bis zum 7. September ein Seelsorge-Bauwagen, in dem sich ein ökumenisches Team der Sorgen und Freuden der Menschen annimmt.

„Wir möchten den Menschen dort begegnen, wo sie unterwegs sind und haben ein offenes Ohr für jeden und jede – unabhängig vom Alter, Geschlecht, der Religion oder sexuellen Orientierung“, betont Therese Thewes, Gemeindereferentin der Pfarreiengemeinschaft Schaumberg. So klar das Ansinnen des Projekts ist, so simpel ist auch das Konzept: Alle, die am Bauwagen auf dem Herzwegparkplatz in Tholey vorbeikommen, sind herzlich zu einem Gespräch eingeladen.

23-köpfiges Team steht fünf Tage die Woche bereit

Dafür steht jeweils ein Mitglied des 23-köpfigen Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen mittwochs bis sonntags von 10 bis 12 Uhr und 16 bis 18 Uhr am Bauwagen bereit. Sie alle wurden vorab intensiv geschult. Organisiert wird das Projekt von der Pfarreiengemeinschaft am Schaumberg, dem Dekanat St. Wendel und der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde St. Wendel mit Unterstützung der Gemeinde Tholey. Die Leitung haben Thewes, Pastoralreferentin Dr. Carola Fleck (Dekanat St. Wendel) und die evangelische Pfarrerin Gabriele Kräuter inne.

Der Bauwagen steht am Herzwegparkplatz auf dem Schaumberg in Tholey.

Fünf bis sechs Gespräche pro Tag

Das Feedback ist laut dem Team durchweg positiv. „Einige sind auch überrascht, dass Kirche ein solches Angebot bietet – und dann auch noch ökumenisch“, berichtet die ehrenamtliche Andrea Gebel. Mit der Resonanz sind die Beteiligten ebenfalls sehr zufrieden. Für 2019, als es den Bauwagen das erste Mal gab, weise die Statistik rund 300 Gespräche aus. In diesem Jahr seien es bisher fünf bis sechs pro Tag. „Die Menschen sind neugierig, fragen, was wir hier tun“, berichtet Pfarrerin Kräuter. Meistens würden sie das Angebot, Platz zu nehmen, ablehnen. „Wenige Minuten später sitzen sie dann aber doch.“

Krankheitsgeschichten und häusliche Gewalt

In den Gesprächen werde alles thematisiert – vom kürzlich gelesenen Buch bis hin zu ganz persönlichen Lebensgeschichten. „Eine Spaziergängerin sprach sich ihre Krankheitsgeschichte von der Seele, eine junge Frau wiederum berichtete von ihren Erfahrungen mit häuslicher Gewalt“, gibt Kräuter einen Einblick. Häufig seien sie am Ende einfach dankbar, mit jemandem darüber sprechen zu können, dass ihnen jemand zuhöre. „Ihnen ist durchaus bewusst, dass wir hier keine Lösungen anbieten können. Darum geht es aber auch nicht.“ Griffbereit hat das Team aber stets Flyer zu weiterführenden diakonischen und kirchlichen Hilfsangeboten. „Und ganz wichtig ist“, ergänzt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Ute Morbach, „die Gespräche sind vertraulich, es wird nichts an Dritte weitergegeben.“

Teil des Teams (v.l.): Andrea Gebel, Pfarrerin Gabriele Kräuter, Ute Morbach und Therese Thewes.

Idee geht auf Mailänder Kardinal zurück

Wie das Team berichtet, geht die Idee für solche „Orte des Zuhörens“ auf den Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini (1972 – 2012) zurück. Kirche soll, so Kardinal Martini, Anteil am Leben der Menschen vor Ort nehmen, indem sie sich für deren Notlagen, Probleme und Bedürfnisse öffnet und auf die Menschen zugeht. Ende der 1970er-Jahre rief er demnach den ersten „Ort des Zuhörens“ ins Leben. Von Mailand aus verbreitete sich das Konzept schließlich über Reutlingen in ganz Deutschland. „Wir haben 2017 das erste Mal darüber nachgedacht“, blickt Thewes zurück. Nachdem alle organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Fragen geregelt waren, stand der Seelsorge-Bauwagen 2019 das erste Mal auf dem Wanderparkplatz am Herzweg. Der Startschuss in diesem Jahr fiel am 22. Juni mit einem ökumenischen Eröffnungsgottesdienst. Bis zum 7. September ist das Team noch am Bauwagen anzutreffen – und freut sich nach eigenen Worten „auf viele weitere, interessante und ganz persönliche Gespräche.“

Das Team hat stets Flyer für weiterführende Hilfsangebote griffbereit.

  • 26.7.2022
  • Andreas Attinger
  • Andreas Attinger