Düsseldorf/Bielefeld/Detmold. Unter dem Titel „Keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes“ unterstützen die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche einen Appell an die Bundesregierung zur geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Zusammen mit mehr als 50 zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen zeigen sich die drei Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen enttäuscht über die Ende April 2023 öffentlich gewordene deutsche Position der Bundesregierung zur geplanten Reform in der EU.
Die aktuellen Vorschläge rüttelten nicht nur an den Grundfesten des Rechtsstaates, sondern würden auch bereits existierende Probleme des europäischen Asylsystems noch verschärfen. Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen: „Europa versteht sich selbst als Hort grundlegender Menschen- und Freiheitsrechte und versagt zugleich schändlich darin, sie verlässlich und großzügig denen zu gewähren, die sie am nötigsten brauchen. Wer wir sind und was uns die Werte wert sind, zeigen wir auch und gerade am Umgang mit Geflüchteten.“
Präses Latzel: Schon heute menschenrechtswidriges Asylverfahren
Konkret kritisiert werden zum einen die angedachten Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen. Sie ließen erwarten, dass sich die humanitären Missstände an den EU-Außengrenzen noch verschärfen und der Flüchtlingsschutz durch absehbare Verfahrensmängel weiter untergraben werde. Voraussichtlich werde es zu vielen Inhaftierungen von Schutzsuchenden an den Außengrenzen kommen. „Wir sehen schon heute, wie Menschen in gefängnisartigen Einrichtungen gehalten werden und ein menschenrechtswidriges Asylverfahren durchlaufen ohne Perspektive und Chance auf einen Aufenthalt“, berichtet Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Er war vor einem Jahr in Griechenland auf der Insel Kos und besuchte dort auch das Hot-Spot Lager Pyli.
Kritik auch an der Ausweitung des Konzepts der „sicheren Drittstaaten“
Neben den Grenzverfahren kritisieren die drei Landeskirchen und die unterzeichnenden Organisationen in der Erklärung auch die geplante Ausweitung des Konzepts der „sicheren Drittstaaten“. Setze sich ein solcher Vorschlag durch, könnten Schutzsuchende ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in ein außereuropäisches Land abgeschoben werden, in dem sie möglicherweise nicht sicher seien. Voraussichtlich werde dies auch die Gefahr von völkerrechtswidrigen Kettenabschiebungen in Herkunftsländer wie Syrien oder Afghanistan massiv erhöhen.
Anhaltende Solidaritätskrise innerhalb der Europäischen Union
Schließlich sprechen sich die unterzeichnenden Organisationen gegen eine Weiterführung des derzeitigen Dublin-Systems aus. Stattdessen sollten neben den Bedürfnissen der Mitgliedsstaaten auch die der Betroffenen stärker in den Blick genommen werden. Gerade die derzeitigen Regelungen und die dahinterstehende anhaltende Solidaritätskrise innerhalb der EU führten dazu, dass Mitgliedsstaaten immer mehr versuchten, die Verantwortung an Außengrenzstaaten und an Nicht-EU-Länder auszulagern.
Kirchen wollen Beitrag zur solidarischen Aufnahme Geflüchteter leisten
„Wir setzen uns ein für eine solidarische Aufnahme von Geflüchteten in allen Mitgliedsstaaten der EU“, sagt Dietmar Arends, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche. „Als Kirche wollen wir gerne unseren Teil dazu beitragen, auch im Dialog und in Zusammenarbeit mit unseren Partnerkirchen in Europa.“