„Der Bedarf ist da, also muss Kirche auch da sein“

Zwischen Wiesen und Wäldern im saarländischen Ostertal wirkt die Kirchengemeinde Dörrenbach. Seit 1999 ist Marcus Bremges hier Pfarrer. Er weiß, was es bedeutet, „Kirche auf dem Land“ zu sein.

Nein, Marcus Bremges ist kein „Dorfkind“. Geboren im Mönchengladbacher Stadtteil Rheydt, führte ihn sein Weg zum Vikariat nach Dormagen und später zum Hilfsdienst nach Neuss. Bereut, aufs Land zu ziehen, hat der 56-Jährige es nie. Im Gegenteil. „Die Atmosphäre hat uns sofort gefallen. Als Pfarrer auf dem Dorf ist man ohnehin direkt mittendrin“, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder.

Pfarrer Marcus Bremges ist es wichtig, dass Kirche nicht nur auf den Pfarrer zugeschnitten ist. Deshalb animiert er die Mitglieder, selbst aktiv zu werden.

Lange Wege zwischen Geburtstagsbesuch und Trauergespräch

Das Gebiet der 1500 Mitglieder starken Evangelischen Kirchengemeinde Dörrenbach umfasst fünf Dörfer: Dörrenbach, Fürth, Lautenbach, Münchwies und Werschweiler. Hinzu kommt der Steinbacher Ortsteil Wetschhausen. Entsprechend ist Bremges viel auf Achse – entgegen seiner Vorliebe für Bus, Bahn und Rad zwangsläufig mit dem Hybridauto. Denn Busse fahren selten, zwischen Geburtstagsbesuch und Trauergespräch liegen häufig ein paar Kilometer durch hügelige Landschaften.

Die mittelalterliche Kirche in Dörrenbach ist die offizielle „Mutterkirche“ der Kirchengemeinde.

„Wir sind zwar fünf Dörfer, aber eine Kirchengemeinde“

„Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist hier ein anderes“, erzählt er im schönen Garten des Pfarrhauses, das er mit seiner Frau bewohnt. „Ich höre oft, ich sei Pfarrer von fünf Gemeinden. Dann antworte ich: ,Nein, wir sind zwar fünf Dörfer, aber eine Kirchengemeinde.‘“ Zugleich sei die Verbundenheit der Menschen zur Kirche hoch. Bedeutet: Bei Dorffesten gehören Gottesdienste zur Tradition. Taufen und Konfirmationen spielen noch immer eine wichtige Rolle. Das Sprichwort „Die Kirche bleibt im Dorf“ wird gelebt. Für den Erhalt der Werschweiler Kirche etwa wurde ein Förderverein gegründet. Die Stühle im Presbyterium sind stets besetzt. Hinzu kommen rund 30 Ehrenamtliche, auf die sich der Pfarrer immer verlassen kann.

Beerdigungen nehmen zu, ortsnahe Freizeitangebote ab

Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich aber auch hier. Beerdigungen nehmen zu, ortsnahe Freizeitangebote wiederum ab. „Der Bedarf ist da, deshalb muss Kirche da sein“, betont der Wanderfan und Hobbyfotograf. Genau das ist die Gemeinde mit Angeboten für Familien, Kinder und Jugendliche. Dafür steht auch eine Jugendleiterin mit einer 50-Prozent-Stelle parat. Weitere Treffpunkte sind die gemeindeeigene Bücherei in Dörrenbach, Bibelkreise und Seniorennachmittage.

Eine Kirche ist nicht mehr nutzbar

Sonntagsgottesdienste werden abwechselnd in den Kirchen in Dörrenbach und Werschweiler sowie im Gemeindehaus in Fürth gefeiert. Letzteres rückte an die Stelle der einen Steinwurf entfernten Kirche. „2014 mussten wir aus Sicherheitsgründen den Turm sprengen, mittlerweile können wir die Kirche leider nicht mehr nutzen“, bedauert Bremges. Dieses Ensemble aus Alt und Neu stehe für ihn sinnbildlich für all das, was eine Kirchengemeinde lassen und neugestalten müsse.

Die Kirche in Fürth darf die Kirchengemeinde aus Sicherheitsgründen nicht mehr nutzen. Deshalb werden Gottesdienste jetzt im Gemeindehaus nebenan gefeiert.

 

„Wir wählen jetzt den Pfarrer, der uns beerdigt“

Bremges ist erst der dritte Pfarrer nach dem Zweiten Weltkrieg. „Als ich gewählt wurde, hat ein Presbyter gesagt: ,Wir wählen jetzt den Pfarrer, der uns beerdigt.‘“ Das verdeutliche den Stellenwert des Pfarramts auf dem Land. Wie vielerorts soll aber auch hier eine Gesamtkirchengemeinde entstehen. In den vier Gemeinden gebe es aktuell fünf Pfarrpersonen, 2030 sollen es drei sein. „Die zentrale Frage ist für mich, wie sich das Gemeindeleben entwickelt, wenn das Pfarrhaus in Dörrenbach leer ist.“

Die Gemeinde zur Selbstständigkeit animieren

Bremges versucht bereits jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass es gut weitergeht. „Mein Ziel ist es, die Gemeinde zur Selbstständigkeit zu animieren.“ Das sei immer schwer, wenn die Not nicht akut sei. „Aber künftig werden sich die Pfarrpersonen auf ihr Kerngeschäft, sprich Kasualien und Seelsorge, konzentrieren müssen.“ Mut macht ihm der Blick zur Partnergemeinde im Spreewald, der Evangelischen Hoffnungskirchengemeinde Groß Leuthen und Umland. „Sie hat ein großes Gebiet mit relativ wenigen Mitgliedern und noch weniger Pfarrpersonen.“ Seit Jahrzehnten sei sie schon stark ehrenamtlich organisiert. Zwei Beispiele: Zu Weihnachten werden Gottesdienste von engagierten Ehrenamtlichen mit Krippenspielen gestaltet. Ist das Kirchendach kaputt, repariert es der Dachdecker aus dem Dorf, weil das Geld fehlt. „Das ist hier glücklicherweise noch nicht so. Dennoch sehe ich dort, wie die Strukturen künftig aussehen und wie wir damit umgehen können.“

„Es steht ein großer Umbruch an“

Helfen könne ein gutes Miteinander mit benachbarten Kirchengemeinden. Schon heute nutze man das katholische Gemeindehaus in Lautenbach für Gottesdienste. „Und mit der Kirchengemeinde Niederkirchen, die zur pfälzischen Kirche gehört, organisiere ich meine Urlaubsvertretung.“ Bremges hofft, dass sich in größeren Strukturen ein anderes Selbstbewusstsein und Miteinander entwickelt. „Es steht ein großer Umbruch an. Mein Wunsch ist es, irgendwann mit dem Gefühl gehen zu können, dass es gut weiterläuft.“

Dieser Beitrag ist der aktuellen Ausgabe des Magazins EKiR.info für die Mitglieder der Presbyterien entnommen. Das komplette Augustheft finden Sie zum Download hier

  • 9.8.2023
  • Andreas Attinger
  • Andreas Attinger