Die geistlichen Übungen sollen helfen zu erkennen, welche Gefühle und Motivationen unserem täglichen Handeln zugrunde liegen. Meistens sind biblische Texte oder christliche Symbole Grundlage der Betrachtung im Schweigen.
Zwei Szenen:
- Manchmal fühle ich mich unsicher und unter Druck. Müsste ich nicht noch viel mehr tun, um anderen zu helfen? Mehr Geld spenden, mehr Einsatz für die Schöpfung, mehr …? In der Nachfolge Christi darf ich doch nicht feige oder egoistisch sein.
- Manchmal bin ich entspannt. Mein Leben fühlt sich rund und schön an. Ich bin von mir überzeugt und was ich mache, wird vielen gefallen. Ich mache es gerne und habe keine Zweifel.
In welcher der beiden Situationen bin ich in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes für mich? Zugegeben, diese Frage kann nur jede/r individuell beantworten. In den Exerzitien stellt sich die Frage nach dem Geist, der mich leitet. Damit sind die Gefühle und Motivationen gemeint, die meinem Handeln zugrunde liegen.
Das eigene Leben mit Gottes Willen in Einklang bringen
Ignatius von Loyola hat in seinem Exerzitienbuch diesen Prozess die „Unterscheidung der Geister“ genannt. Was führt mich zu Gott hin, was führt von Gott weg? Dabei geht es immer darum, den Weg zu wählen, auf dem ein Mehr erfahren wird: mehr Vertrauen, mehr Liebe, mehr Hoffnung, mehr Friede, mehr Gerechtigkeit … Es gibt Kurse in Exerzitienhäusern, auch im Haus der Stille in Rengsdorf, die Übungen an die Hand geben, das eigene Leben stärker mit Gottes Willen in Einklang zu bringen. Die Unterscheidung der Geister ist dabei eine wesentliche Übung.
Böser und guter Geist
Beim ersten der oben genannten Beispiele könnte die Anregung lauten: „Schau mal genau hin, ob dich da nicht der böse Geist mit guten Vorsätzen überfordern will.“ In der zweiten Situation könnte der Impuls lauten: „Klingt wie der gute Geist. Kann aber auch Tarnung des bösen sein, wenn du dich zu bequem und selbstgefällig einrichtest.“
Stille hilft, die Wahrnehmung zu schärfen
Exerzitien-Übungen finden in der Stille statt, da diese hilft, die eigene Wahrnehmung zu schärfen, hinzuspüren und mit Gott in Verbindung zu kommen. Meistens sind biblische Texte oder christliche Symbole Grundlage der Betrachtung im Schweigen. Die ignatianische Schriftbetrachtung bezieht alle Sinne und die ganze Vorstellungskraft des/der Übenden mit ein. Sie vollzieht sich in folgenden Schritten:
- Wiederholte Lesung des Textes: Ich lasse den Text auf mich wirken.
- Den Schauplatz bereiten: Vor meinem inneren Auge lasse ich den Ort entstehen, an dem das Geschehen sich ereignet. Ich nehme ihn mit allen Sinnen wahr und erkunde ihn.
- Die Szene sich ereignen lassen: Das geschriebene Geschehen läuft in der Vorstellung ab und wirkt auf mich. Ich nehme das Geschehen mit allen Sinnen wahr.
- Den eigenen Platz als Zuschauer*in wahrnehmen: Wo bin ich in Bezug zu dieser Szene?
- Sich in der Szene verorten: Wo ist mein Platz, meine Rolle? Was würde ich tun oder sagen?
- Abschied: Am Ende sich aus der Szene verabschieden und das Erlebte nachklingen lassen. In die Gegenwart der Gebetszeit zurückkehren.
- Sich vergewissern: Was ist mir deutlich geworden über die Aussage der biblischen Erzählung, über Jesus, über Gott?
Nach einem Exerzitienkurs entsteht oft der Wunsch, einen Teil der Übungen zu Hause im Alltag fortzuführen. Ein fester Zeitpunkt am Tag und ein schön gestalteter Gebetsort helfen dabei. Es gibt auch das Angebot, an „Exerzitien im Alltag“ teilzunehmen. In Kirchengemeinden werden diese oft in der Passions- oder Adventszeit durchgeführt.
Dieser Beitrag ist der aktuellen Ausgabe des Magazins EKiR.info für die Mitglieder der Presbyterien entnommen. Das komplette Augustheft finden Sie zum Download hier.